Ein berühmtes dänisches Zitat ungeklärter Herkunft bringt es auf den Punkt: „Voraussagen sind schwierig – vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.“ Dabei würden wir alle gern wissen, wie die Finanzindustrie – bewegt von mehreren großen Transformationen – sich in einigen Jahren weiterentwickelt hat. Da man sich in der Glaskugel meist doch nur selbst spiegelt, ist geteiltes Wissen in diesem Zusammenhang der bessere Ratgeber und eine große Unterstützung und Inspiration.
Deshalb haben wir im Rahmen einer Studie von KPMG mit zahlreichen Entscheidern und Innovatoren aus der Finanzbranche weltweit gesprochen und sie um ihren Blick auf die Branche im Jahr 2030 gebeten. Denn die Zukunft magazine im Dunkeln liegen – der Lichtschein der Erfahrung aber erleuchtet von hinten den vor uns liegenden Weg und hilft dabei, ihn trittsicher zu machen.
Der Finanzsektor im Jahr 2030: Ein Blick in die Zukunft
Aus den Interviews, die wir mit Expertinnen und Experten aus Banken, Versicherungen, aus dem Asset Administration, von Beteiligungsgesellschaften oder Technologieanbietern geführt haben, lassen sich fünf Bereiche identifizieren, von denen in den kommenden Jahren die tiefgreifendsten Veränderungen ausgehen. Sie alle wirken sich auf die Geschäftsmodelle im Finanzsektor elementar aus und sind daher bei der Beurteilung der Zukunftsfähigkeit jedes einzelnen Instituts zu berücksichtigen. Von den folgenden Treibern gehen wohlgemerkt aber nicht nur Herausforderungen, sondern auch viele Chancen aus:
1) ESG – entscheidender Hebel für den Systemwandel
Mit dem Web-Zero-Ziel steht die Weltwirtschaft vor einer gigantischen Herausforderung – und die Erwartungen an Finanzdienstleister, durch nachhaltige Kapitalentscheidungen zu diesem Ziel beizutragen, werden weiter steigen. Schon jetzt haben Investoren ihr Engagement in Anlageklassen wie beispielsweise erneuerbare Energien verdoppelt. Gleichzeitig steigt die Nachfrage der Kundinnen und Kunden nach grünen Geldanlagen. Auch Social- und Governance-Themen werden aufgrund steigender Kundenerwartungen stärker in den Mittelpunkt rücken, wo sie zuletzt noch im Schatten der Klimadebatte standen. Fazit: Jede Entscheidung wird bald zu einer ESG-Entscheidung.
2) Know Your Buyer: Demokratisierte Daten verändern die Machtverhältnisse
Die Bedeutung der Herrschaft über Daten nimmt weiter zu. BigTech übernimmt das Kommando, und die größten Marken im Bankensektor werden diejenigen sein, die in der Lage sind, Kundinnen und Kunden anzusprechen. Know your Buyer gewinnt neue Wortbedeutungen hinzu: Die Personalisierung von Finanzdienstleistungen auf Foundation digitaler Identitäten bestimmt den Wettbewerb. Zu erwarten ist, dass asiatische Staaten – insbesondere China – dank ihrer frühen Ausrichtung auf datenbasierte Technologien verstärkt auf dem Markt auftreten werden. Wir sehen: Zentralbanken und die Politik reagieren auf diese potenzielle Bedrohung durch non-public digitale Währungen.
3) Metaverse & Co – neue Geschäftsmodelle ante portas
Neue Technologien und digitale Welten (wie zum Beispiel das Metaverse) werden völlig neue und intensivere Kundenerlebnisse bieten. Wahrscheinlich ist, dass das Bankgeschäft zunehmend unsichtbar und in die zugrundeliegende Interaktion, etwa das Einkaufen, eingebettet wird. Open Banking, API-Fähigkeit und Banking-as-a-Service werden zu entscheidenden Wettbewerbsparametern. Gleichzeitig nimmt die Notwendigkeit, sich gegen Cyber-Kriminalität zu behaupten, erheblich zu. Aufsichtsbehörden wollen Innovation weiterhin unterstützen, sind aber risikoaverser geworden. Mit öffentlichkeitswirksamen Interventionen zeigen sie mehr Strenge.
4) Der Weg zur Information Financial system – individualisierte Produkte und Providers
Daten verändern nicht nur die Wettbewerbsverhältnisse, sondern auch das Angebot im Finanzsektor. Der geregelte Austausch von Daten zwischen Kundschaft und Unternehmen ermöglicht individualisierte Produkte und Providers. Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI), Machine Studying (ML) und allgemein performante Technologie-Stacks helfen bei der datenbasierten Entwicklung neuer, margenträchtiger Angebote. Unternehmen, die diese Fähigkeit nicht ausbauen, werden sich auf wenig lukrative Dienstleistungen beschränken müssen.
5) Talente als Wettbewerbsfaktor – Vielfalt entscheidet
Um bei all diesen Veränderungen Schritt halten zu können, werden Finanzdienstleister ihren Pool an Talenten möglichst vielfältig aufstellen und auch Partnerschaften auf- und ausbauen müssen – Stichwort Variety – und die Bedürfnisse der Mitarbeitenden geben zunehmend den Takt vor. Unternehmen konkurrieren um Talente und verstärken daher ihr Engagement. Sie tätigen zunehmend Investitionen in Menschen und Werte, die im Unternehmen geteilt werden, was unterstreicht: Jedes Geschäft braucht einen klar formulierten Objective, der den gesellschaftlichen Beitrag jenseits von reinem Produktnutzen verdeutlicht – und hybride Arbeitsformen und Büros werden zum Normalfall.
Zukunftsstrategie – Chancen für eine Neuausrichtung
Um sich zukunftssicher aufzustellen und von diesen Entwicklungen zu profitieren, empfiehlt es sich, die Taschenlampe in die Hand zu nehmen und planvoll vorzugehen. Im Lichtkegel klar auszumachen sind folgende Punkte für die Administration-Agenda in den Finanzinstituten:
- Das Geschäftsmodell von morgen entwickeln
Um Zukunftsfähigkeit herzustellen und First-Mover-Effekte zu erzielen, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, das eigene Geschäftsmodell zu hinterfragen und an den relevanten Stellen neu auszurichten. - Mit Objective planen
Um die Kundschaft, Mitarbeitende und Talente zu binden, sie zu begeistern und mitzunehmen, sind Mission und Zweck der Organisation mit den richtigen Botschaften zu verbinden. - Datenstrategie definieren
Um überzeugende Angebote zu entwickeln, muss festgelegt werden, welche Daten welche Bedeutung im Geschäftsmodell erhalten und wie die Daten verwendet werden sollen. - Talente gewinnen und binden
Um über die richtigen Fähigkeiten zur richtigen Zeit zu verfügen, bedarf es eines strategischen Ansatzes. Nur mit einer Gesamtstrategie und den passenden Anstrengungen lassen sich Mitarbeitende gewinnen und halten. - Raum für Innovationen geben
Innovationszentren geben Raum, um Innovationen zu entwickeln und neues Denken im Unternehmen zu fördern – Verantwortliche sollten Freiräume aus Ort und Zeit schaffen.
Fazit
Als Treiber der Veränderung in der Finanzindustrie stechen die Bereiche ESG, die Demokratisierung von Daten, neue Geschäftsmodelle, Auswirkungen der Datennutzung und neue Bedürfnisse der Mitarbeitenden hervor. Um zukunftsfähig zu bleiben, sollten Unternehmen aus der Finanzdienstleistungsbranche die anstehenden Veränderungen frühzeitig antizipieren und in ihren Strategien aufgreifen.
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Banken befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen Niedrigzinsumfeld, das sich aus der Geldpolitik der EZB entwickelt hat, und der im europäischen Vergleich sehr hohen Kosten. Wie sieht vor diesem Hintergrund die Zukunft der Banken in Deutschland aus? Darüber spricht Professor Dr. Andreas Igl von der Hochschule der Deutschen Bundesbank im Podcast „Die Zukunft der Banken“ aus der Reihe „durch die bank“.
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